Steinfest, Heinrich by Wo die Löwen weinen

Steinfest, Heinrich by Wo die Löwen weinen

Autor:Wo die Löwen weinen [weinen, Wo die Löwen]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-03-11T14:23:42.683000+00:00


Es war drei Uhr in der Nacht, als er da im Wohnraum jener wirklichen Dame saß, die ihm ihr Haus überlassen hatte. Ursprünglich hatte er gedacht, sie bleibe nur ein paar Tage weg. Doch nach einer Woche hatte sie angerufen und ihm knapp mitgeteilt, ihre Sache würde sich ziehen.

"Meine Sache ebenfalls", hatte er geantwortet.

"Wie schön", war ihr Kommentar gewesen, "wenn sich das eine und das andere zieht. Und ohne es gewollt zu haben, hupps!, ziehen plötzlich alle am selben Strang."

Ihm konnte es recht sein. Er liebte dieses Haus, den Ausblick, die Ruhe der Nächte, in denen er am Computer saß und die gesammelten Daten verglich und analysierte sowie die tomographischen Schnittbilder zu Modellen zusammenfaßte. In erster Linie war er natürlich damit beschäftigt, die Inschriften auf den beiden Seitenflächen zu entziffern, wobei er ein Verfahren von Sunssun anwendete, indem er die Oberfläche in hoher Auflösung aus diversen Blickwinkeln und unter diversen Lichtverhältnissen fotografierte und in der Folge aus vielen "unsichtbaren" Bildern ein "sichtbares" formte, einen altgriechischen Text, den er freilich erst noch zu übersetzen hatte. Vieles davon wirkte auf Mach unverständlich und verwirrend, klar waren ihm nur wenige Hinweise, etwa der, der sich auf das neunzehnsonnenjährige Kalendersystem des Astronomen Meton bezog, Hinweise also, die auch das Antikythera-Artefakt beinhaltete und Mach somit vertraut waren. Was aber hatten die immer wieder auftauchenden Verweise auf menschliche Gliedmaßen und menschliche Organe zu bedeuten? Verweise auf Blutgefäße! Wessen Blutgefäße? Die der Maschine oder die des Benutzers der Maschine? Oder war da noch jemand Dritter im Bunde?

Augen, Mund, Zunge, Hände. - Wessen? Eine Frage, die zu beantworten er nicht die Zeit haben würde, die er benötigte. Zumindest so lange nicht, wie er außerstande war, die Maschine zu bewegen. In diesem Punkt war er in den drei Wochen seines Stuttgarter Aufenthalts kein Stück weitergekommen. Der entschlüsselte Teil der Inschriften sagte ihm nicht, was zu tun war. Einmal war es sogar geschehen, daß er die Maschine angeschrien hatte. Die Leute - Palatins Leute -, welche stets vor Ort waren, teils, um die Maschine zu bewachen, teils, um Mach zu assistieren, hatten Palatin davon berichtet. Dieser hatte später süffisant gemeint: "Um einen Haufen Zahnräder anzubrüllen, hätte ich auch irgendeinen Rotzlöffel aus Stuttgart engagieren können."

Überhaupt wurde Palatin ungeduldig. Er gab Mach noch eine weitere Woche, dann wollte er ein Resultat sehen, eine Veränderung, einen Fortschritt, und nicht bloß Erkenntnisse über Planetenmodelle und Sternbilder. Die Sterne konnten warten. Palatin sagte es so: "Unser Oberbürgermeister haßt diese Maschine. Sie macht ihn wütend, so wütend wie das Gesindel, das jeden Montag wegen des alten Steinhaufens Krokodilstränen vergießt. Er braucht jetzt langsam ein Erfolgserlebnis. Das will ich ihm gerne bereiten. Leider kann ich die Demonstranten nur schwer wegschießen. Die Maschine schon."

"Die kann man ebensowenig wegschießen", verkündete Mach.

"Sie aber, Mach, Sie kann man wegschießen."

"Wie soll ich das verstehen?"

Statt präzise zu werden, sagte Palatin: "Legen Sie sich ins Zeug. Machen Sie Ihren Job."

Solcherart war ein Szenarium der Bedrohung entstanden. Wäre Mach nicht bald erfolgreich, würde er seinen Auftrag verlieren. Vielleicht sogar sein Leben, zumindest, wenn er Palatin wörtlich nahm.



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